Leseprobe

Wenn Blinde regieren – Das Elefantengleichnis

Ich starte dieses Buch mit einer kleinen, aber bekannten Parabel aus der südasiatischen Philosophie: Die Blinden und der Elefant. Die Geschichte geht folgendermaßen. Fünf weise, aber blinde Gelehrte wurden von ihrem König mit der Aufgabe betreut, herauszufinden, wie ein Elefant aussieht. Die Blinden machten sich auf den Weg zu einem Elefanten und machten sich ein Bild durch das Abtasten des Elefanten.  Der erste blinde Gelehrte tastete den Rüssel des Elefanten ab und sagte: „Der Elefant ist wie ein langer Arm“. Der zweite Gelehrte hatte das Ohr des Elefanten ertastet und sagte: „Nein, der Elefant ist wie ein großer Fächer.“ Der dritte blinde Gelehrte widersprach: „Nein, er ist wie eine große Säule.“ Er ertastete das Bein des Elefanten. Auch der vierte Gelehrte widersprach und sagte: „Nein, der Elefant fühlt sich wie eine Strippe mit einigen Haaren am Ende an“. Dieser Gelehrte tastete den Schwanz des Elefanten ab. Der letzte der Gelehrten kam auch zu einer anderen Meinung und sagte: „Ich finde, der Elefant ist eine riesige Masse mit Rundungen und ein paar Borsten darauf“. Er ertastete den Rumpf des Elefanten. Die Gelehrten waren sich nicht einig und diskutierten stundenlang. Jeder war der Meinung, den Elefanten beschreiben zu können. Sie kehrten zum König zurück, um zu berichten. Sie fürchteten jedoch den Zorn des Königs, da sie sich nicht einigen konnten, wie der Elefant aussieht. Der König lachte sanftmütig. Er bedankte sich bei den Blinden und erklärte: „Ich weiß nun, wie ein Elefant aussieht. Ein Elefant hat einen Rüssel, der aussieht wie ein Arm, große Ohren, die aussehen wie ein Fächer, Beine, die dicken Säulen ähneln, einen großen massiven Rumpf mit Rundungen und Borsten und einen Schwanz, der wie eine Strippe mit Haaren am Ende aussieht.“ Die blinden Gelehrten senkten beschämt ihren Kopf, als sie bemerkten, dass sie nur einen kleinen Teil des Ganzen gesehen haben und dennoch auf ihrer Meinung beharrten. 

Warum beginne ich dieses Buch mit der Geschichte? Die Geschichte soll verdeutlichen, dass jeder der Gelehrten zwar in seiner Perspektive recht hatte, aber das Große und Ganze vernachlässigt wurde. Anstatt sich gegenseitig zuzuhören und zu überlegen, wie derart unterschiedliche Ansichten zustande kamen, stritten sich die Gelehrten, wer Recht hatte. Hätten die Gelehrten dem Elefanten eine angemessene Unterkunft bauen müssen, hätte keiner der Gelehrten mit seiner einseitigen Perspektive eine vernünftige Lösung vorschlagen können. Hätten sie zusammengearbeitet, wären sie vielleicht auch ohne die Hilfe des Königs auf eine passende Lösung gekommen. Ob mit oder ohne Hilfe des Königs, es ist die Kernessenz der Geschichte, dass nur durch das Gesamtbild eine vernünftige Lösung möglich ist. 

Im übertragenen Sinne soll die Geschichte zeigen, dass alle Menschen blind sind und durch ihre eigene persönliche Wahrnehmung geprägt werden. Dies erzeugt eine einseitige „Wahrheit“, die nicht der Realität entspricht. Nur durch Zuhören und den Willen, das gesamte Bild erkennen zu wollen, ist es möglich eine Annäherung an die Realität zu bekommen.

In der Politik sind zahlreiche unterschiedliche Menschen und Experten tätig. Sie alle bringen unterschiedliche Perspektiven mit und bewerten diese entsprechend ihren Vorerfahrungen. Um komplexe gesellschaftliche Probleme lösen zu können, muss ein Problem erstmal vollständig aus allen unterschiedlichen Perspektiven erfasst werden. Es reicht selten die Perspektive eines Experten aus, um eine sinnvolle, faire und gerechte Lösung zu erreichen. 

Die aktuellen politische Ereignisse zeigen leider vermehrt diese einseitige Betrachtung und ineffiziente Lösungen. Beispiele für solche einseitigen Betrachtungen und Lösungen sind in der Flüchtlingspolitik, Klimapolitik, Bildungspolitik, Finanzpolitik oder der aktuellen Wirtschaftspolitik zu sehen.

Das Behördenversagen in der Digitalisierung ist ebenfalls ein Indiz. Die Aufzählung soll verdeutlichen, dass nicht einzelne Parteien, eine Koalition oder nur die Verwaltung die Schuld an dem Versagen tragen, wie es so oft im Wahlkampf suggeriert wird. Egal, welche Krise angegangen wird, jede Partei trägt zum Versagen bei, wenn sie lediglich auf ihrer eigenen Meinung beharrt. So wie die fünf blinden Gelehrten sich im Streit verfangen haben, anstatt das Große und Ganze gemeinsam auszuarbeiten.

Das Große und Ganze ist seit langem in den Hintergrund gerückt. Systemfehler konnten sich über Jahrzehnte in der Politik und in der Verwaltung etablieren, ohne dass sie behoben oder überhaupt entdeckt wurden. Heute leben wir in einem wackligen und zu Teilen ineffizienten System. Der Frust der Bürger steigt.

Der perfekte Nährboden für Akteure, die eine radikale Veränderung anstreben. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen demokratischen Ländern, sehen wir mit angehaltenem Atem zu, wie die AfD oder Donald Trump immer mehr Einzug erhalten. Die Bürger möchten eine Veränderung.

Dieses Buch beschreibt unterschiedliche Perspektiven und Ansätze zur deutschen Politik. Es wird hierzu der politische Alltag mit den beteiligten Rollen und der Organisation beschrieben. Wie kann man in der Politik wirksam sein? Welche Rolle spielt die Mehrheit oder die Minderheit? Welche persönlichen Fähigkeiten sind relevant? Welchen Einfluss hat Macht und Hierarchie? Welche Rolle spielt die Führungsqualität? Welche Rolle spielt die Kommunikation? Ebenso werden die Wirkungsweise und Organisation von Verwaltungen und ihren Mitarbeitern analysiert. Die Analyse wird durch die sozialpsychologische Perspektive, die Kommunikationswissenschaften, die volkswirtschaftliche Lehre und durch die Führungsforschung geprägt. 

Auch die Rolle des Bürgers als Empfänger der Verwaltungsleistungen wird hinzugezogen. Welchen Einfluss üben Fake News auf die Bürger aus? Welche Kommunikationstaktiken werden gezielt genutzt, um die Bürger zu gewinnen?

Ich freue mich auf Feedback – info@choys-writing.com

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